Zwei Personen umschlungen und gucken in die Kamera.

Porno vs. Realität

Mann und Frau treffen aufeinander und drei Sekunden später: lautes Stöhnen, Großaufnahmen von Genitalien und jede Menge Penetration – ein typischer Ablauf im Porno. Die Schnelligkeit dieses Prozesses und die Reduzierung auf solche Bilder ergibt auch Sinn, schließlich ist es der Zweck von Pornografie, die Konsument:innen möglichst schnell zu erregen und ihnen zum Orgasmus zu verhelfen. Wie gut diese Art der Darstellung für alle Geschlechter funktioniert, sei an dieser Stelle dahingestellt. Dass diese Darstellung mit echtem Sex nicht viel zu tun hat und viele wichtige Aspekte dabei einfach unter den Teppich gekehrt werden, sollte eigentlich klar sein. Doch häufig zeigt sich im eigenen Schlafzimmer, wie sehr Pornografie in unserem alltäglichen Leben angekommen ist. So berichten viele Frauen davon, dass sie ohne Vorwarnung beim Sex Sperma ins Gesicht bekamen oder ungefragt Analsex initiiert wurde. Es scheint, als würde hier einfach der Versuch unternommen, den eigenen Lieblingsporno nachzuspielen – da funktioniert es schließlich auch alles wunderbar ohne Absprachen. Im echten Leben ist „einfach sein eigenes Ding durchziehen“ aber ein klares NO-GO und ohne vorherige Absprache absolut nicht okay. Solche Fälle machen deutlich: Pornografie ist kein Aufklärungsmaterial und bildet keinesfalls die Realität ab. Denn in der Realität geht es beim Sex nicht nur um eine schnelle, möglichst starke Erregung und um die Befriedigung einer Person. Vielmehr geht es um Intimität, Nähe, Liebe und darum, die eigenen und die Bedürfnisse des Gegenübers im Einverständnis beider zu erfüllen, um die Zeit zusammen zu genießen. 

Für eine bessere Vorstellung davon, weshalb echter Sex nicht viel mit Pornos zu tun hat, schauen wir uns im Folgenden genauer an, was Porno vs. Realität voneinander trennt: 

Die Verhütung 

Schon mal in einem Porno gesehen, wie beide kurz bevor es losgeht, innehalten, um über die Verhütung zu sprechen oder ein Kondom überzuziehen? Nein? Wir auch nur viel zu selten. Es hat den Anschein, als würden ungeplante Schwangerschaften und sexuell übertragbare Krankheiten im Porno absolut keine Rolle spielen. Dabei stimmt das absolut nicht. Wenn im Porno kein Kondom zu sehen ist, müssen die Darsteller:innen mit Tests vorab nachweisen, dass sie keine gängigen Geschlechtskrankheiten haben und verhüten meist noch mit anderen Verhütungsmethoden, die nicht von außen sichtbar sind. Verhütung spielt im Porno also eine ebenso große Rolle wie im echten Leben – nur sieht man davon meistens leider nichts. Dabei ist das Überziehen eines Kondoms und eine offene Absprache über die Verhütung nichts, was einfach unter den Tisch fallen sollte und auch nicht störend. Wer es eilig hat, kann schließlich einfach zu unseren Kondomen greifen. 

Das Körperbild

Du hast das Gefühl im Porno nur trainierte, wunderschöne und makellose Körper zu sehen? Das ist kein Zufall. Wie auch in der Modeindustrie werden die Pornodarsteller:innen vorab gecastet. Dabei werden gezielt Menschen ausgesucht, deren Körper einem bestimmten Körper- und Schönheitsideal entsprechen. Das führt dazu, dass du immer nur Menschen mit einem ähnlichen Körperbau siehst. Meistens haben die Männer in Pornos überdurchschnittlich große Genitalien und Frauen große, harte Brüste und kleine rosa Vulvalippen. Pornos bilden dabei keinesfalls die Realität und Vielfalt menschlicher Körper ab, sondern zeigen nur ein ganz bestimmtes Körperbild. Hinzu kommt, dass die Darsteller:innen perfekt geschminkt und rasiert sind, mit bestem Licht ausgeleuchtet werden und alle Szenen mehrmals und aus verschiedenen Winkeln gefilmt werden, sodass alle nur von ihrer Schokoladenseite zu sehen sind. Mit der Realität hat das nichts zu tun. Menschen haben Augenringe, Rötungen, Pickel, Narben – alle sehen anders aus und das ist gut so. Kein Mensch ist perfekt und Schönheit hat unendlich viele und vielfältige Gesichter. Lass dich also von der einseitigen Darstellung der Körper in Pornos nicht einschüchtern. Dass du anders aussiehst als die Darsteller:innen ist vollkommen normal. Du bist genau so gut wie du bist!

Der reibungslose Ablauf 

Im Porno sehen nicht nur die Menschen großartig aus, haben beide immer, überall und gleichzeitig Lust auf Sex, sondern es läuft auch sonst alles perfekt. Alle Stellungen und Stellungswechsel funktionieren ohne Probleme, es entstehen keine unvorhersehbaren Geräusche oder Pannen und beide erleben auf Knopfdruck den großartigsten Orgasmus ihres Lebens. Im echten Leben kann es aber passieren, dass nur eine:r Lust auf Sex hat, einer zu früh oder gar nicht kommt und der Stellungswechsel eher ungeschickt als sexy aussieht – das ist ganz normal. Im echten Leben kann man die unperfekten Sequenzen eben nicht immer wieder neu drehen oder rausschneiden und das ist auch gar nicht nötig. Schließlich könnt ihr Ungeplantes einfach mit Humor nehmen und mit einem Lächeln weiter eurer Lust nachgehen. Denn nur ihr entscheidet, was Sex für euch perfekt macht. 

Sexuelle Praktiken 

Um eine möglichst schnelle Erregung bei den Konsument:innen von Pornos hervorzurufen, geht es in den meisten Pornos schon nach wenigen Sekunden mit der Penetration los. Dabei ist es im echten Leben selten der Fall, dass beide in wenigen Sekunden hart und feucht genug sind. Meistens braucht es ein Vorspiel und somit ein bisschen Zeit, um den Körper in einen erregten Zustand zu versetzen. Hier kann auch der Einsatz unseres Gleitgels hilfreich sein und Spontanität und erhöhte Empfindsamkeit ermöglichen. Ein Vorspiel oder den Einsatz von Gleitgel sieht man in Pornos jedoch nur sehr selten. Auch sexuelle Praktiken, die nichts mit Penetration zu tun haben und auch Orgasmen selbst, werden im Porno nur sehr einseitig und nicht ansatzweise realistisch dargestellt. So kommen die wenigsten Frauen von einem kurzen Kreisen über der Vulva oder einfach nur von Penetration ohne Stimulation der Klitoris. Bei echtem Sex sind dafür Übung und Kommunikation nötig. Auch mag nicht jede:r Oralverkehr und kann auf die gleiche Art und Weise zum Orgasmus kommen. Hier ist es wichtig, sich auszutauschen und zu fragen, was und wie es die Person gerne hat – das gilt für alle Geschlechter. Außerdem: Nicht jede:r schreit seine Lust beim Sex laut heraus. Nur weil im Porno viel gestöhnt wird, musst du das nicht auch tun. 

Der Fokus und das Frauenbild 

In den meisten Pornofilmen wurde jahrzehntelang der Blick nur auf die männliche Perspektive gerichtet. Die Frage lautete: Welche Darstellung erregt den Mann? Dabei waren die Rollen meist klar verteilt. Er dominiert und entscheidet, was gemacht wird und vor allem, was sie macht, damit er zum Orgasmus kommt. Im Fokus standen Blowjobs und Penetration. Dabei macht sie nicht nur willig alles mit, was er vorgibt, sondern stöhnt dabei auch noch laut. Ihre Lust und ihr Orgasmus sind eher ein Nebenprodukt und dazu da, den Mann noch erregter zu machen. Diese Fokussierung auf den Mann und die unterwürfige Darstellung der Frau wurde in den letzten Jahren stark kritisiert und haben Fem- Porn und eine weibliche Sicht auf Pornografie auf den Plan gerufen. Neben neuen Pornografie Varianten wie Audio-Plattformen, die speziell für die Lust der Frau konzipiert sind, gibt es auch immer mehr (weibliche) Porno-Regisseur:innen und Produzent:innen, die ansprechende Pornos für Frauen produzieren. Denn die Fokussierung auf die Befriedigung des Mannes bürgt die Gefahr, dass auch im echten Leben der Orgasmus der Frau hinten angestellt wird oder schwer zu erreichen scheint, weil die Frau nicht von Penetration allein zum Orgasmus kommt. Die meisten Pornos vermitteln hier ein falsches Bild und dürfen gerade im Hinblick auf das Erreichen eines Höhepunktes nicht mit der Realität gleichgesetzt werden. Echter Sex und das Erreichen eines Höhepunktes erfordern Kommunikation, Übung und Vertrauen. Auch sollte es Konsens sein, dass beim Sex die Befriedigung der Bedürfnisse aller Beteiligten im Vordergrund steht und niemand bevorzugt oder benachteiligt wird. Das wachsende Feld an Porno Produzent:innen und Anbieter:innen ermöglicht es heute glücklicherweise Alternativen zu stereotypischen Darstellungen zu wählen und die Lust aller in den Vordergrund zu rücken.

Fazit

Pornografie ist toll, um die eigene Lust zu steigern, Fantasien ausgelebt zu sehen und Neues zu entdecken. Jedoch sollten die im Porno vermittelten Bilder nicht mit der Realität gleichgesetzt werden. Sie sind eine geschönte, perfekt zusammengeschnittene Version einer Fantasie und einer bestimmten Art von Sex. Wie echter und guter Sex aussieht und sich anfühlt, darüber entscheiden aber keine Pornos, sondern nur ihr selbst. Also lasst euch nicht verunsichern und habt Sex genauso wie er euch gefällt und glücklich macht. 

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